Neue Dimension im Abgasskandal – Jetzt auch Benziner und Automatikfahrzeuge betroffen?

Mit einem Paukenschlag zieht der Abgasskandal auch fünf Jahre nach Bekanntwerden immer weitere Kreise. Erstmals könnten nun auch Benziner von Abgasmanipulationen betroffen sein. Medienberichten zufolge soll in einem Automatikgetriebe des VW-Konzerns eine verbotene Abschalteinrichtung verbaut sein, die die Abgaswerte bei behördlichen Tests manipuliert. Interne Unterlagen von Volkswagen und ein Gerichtsgutachten erhärten diesen Verdacht. Zudem besteht der Verdacht, dass auch Diesel-Fahrzeuge mit Automatikgetriebe betroffen sind.

Dem VW-Konzern droht ein weiterer Abgasskandal. Dies lässt ein Sachverständigengutachten befürchten, welches das Landgericht Offenburg zu einem Audi Q5 TFSI 2.0 (Euro 6) mit Automatikgetriebe hat anfertigen lassen.

Erkenntnisse des Gerichtsgutachters

Der unabhängige Gerichtsgutachter hat die Emissionswerte eines Audi Q5 TFSI 2.0 mehrfach auf einem Rollenprüfstand unter Laborbedingungen gemessen. Das Ergebnis: Bewegt man das Lenkrad – unter ansonsten identischen Prüfbedingungen – vor Fahrbeginn um mehr als 15° nach links oder rechts, erhöhen sich die Stickoxid-Werte um rund 24% und die Kohlenmonoxid-Werte sogar um rund 60 %. Zudem lagen die Stickoxid-Grenzwerte bei eingeschlagenem Lenkrad um mehr als 300% über den Herstellerangaben von Audi.

Diese Ergebnisse legen den Verdacht nahe, dass das Fahrzeug anhand ausbleibender Lenkradbewegungen erkennt, dass es einem Abgastest unterzogen wird, und in diesem Fall in einen „sauberen“ Modus schaltet. Wird das Lenkrad hingegen bewegt, was auf einem Rollenprüfstand im Labor nicht vorkommt, schaltet das Fahrzeug stattdessen in einen „schmutzigen“ Straßen-Modus. Experten nennen das „Zykluserkennung“.

Der Leiter des Zentrums für Kfz-Elektronik und Verbrennungsmotoren an der TH Aschaffenburg, Prof. Kai Borgeest, kommentiert die Ergebnisse des Gerichtsgutachtens gegenüber dem SWR so:

„Es fällt auf, dass vor allem bei den höheren Geschwindigkeiten während des Abgastests die Stickoxidwerte erheblich nach oben gehen, wenn das Lenkrad eingeschlagen ist. Und das ist ein klassischer Vertreter einer Abschalteinrichtung.“

Interne Unterlagen von VW bestätigen: Otto- und Diesel-Motoren betroffen – wohl millionenfach

Nach internen Unterlagen des Volkswagen-Konzerns kommt diese Lenkwinkelerkennung in mehreren Getrieben und sowohl bei Benzin- als auch bei Diesel-Motoren zum Einsatz, allerdings nur in Fahrzeugen mit Automatikgetriebe. Weitere Medienberichte lassen darauf schließen, dass diese Software in nahezu allen gängigen Automatikgetrieben des VW-Konzerns zum Einsatz kommt.

Rechtsanwalt Dr. Christof Lehnen von der Kanzlei Dr. Lehnen & Sinnig:

„Wenn wir davon ausgehen, dass in Deutschland etwa 11 Millionen Pkw mit Automatikgetriebe zugelassen sind und Volkswagen, Audi, Seat, Skoda und Porsche zusammen etwa 38% Marktanteil haben, dann wären allein in Deutschland möglicherweise über 4 Millionen Fahrzeuge betroffen. Vor diesem Hintergrund kann man mit Fug und Recht von einem neuen Skandal sprechen, nicht mehr nur von einem ‚Diesel-Abgasskandal‘, aber auch nicht nur von einem ‚Benziner-Abgasskandal‘, sondern von einem ‚Getriebe-Abgasskandal‘.“

Wie funktioniert der Trick mit dem Automatikgetriebe?

„Technisch geht es um die Frage, ab wenn das Automatikgetriebe von einem Gang in den nächsten schaltet, also zum Beispiel vom 2. in den 3. Gang. Experten sprechen von ‚Schaltpunktsteuerung‘. Während des Abgastests im Labor schalten die Automatikgetriebe früher bzw. später als sie es im normalen Straßenverkehr tun. Dadurch erzielen Diesel-Fahrzeuge im Labor geschönte Stickoxid-Werte und Benziner geschönte CO2-Werte. Im normalen Straßenverkehr sind die Fahrzeuge allerdings dreckiger, weil das Automatikgetriebe dort anders schaltet, nämlich nicht zugunsten der Umwelt, sondern zugunsten des Fahrkomforts.“,

erklärt Rechtsanwalt Dr. Christof Lehnen.

Erneut bewusste Täuschung? Interne Unterlagen von VW erhärten den Verdacht

Augenscheinlich war sich der VW-Konzern bewusst, dass diese prüfstandsabhängige Schaltpunktsteuerung rechtlich zumindest bedenklich ist. Jedenfalls hat man darauf verzichtet, sie dem Kraftfahrt-Bundesamt oder dem Bundesverkehrsministerium gegenüber offenzulegen. In den internen Unterlagen hält Volkswagen hierzu fest: „Konkrete Lenkwinkelerkennung Behörden nicht bekannt“.

„Sollte der Volkswagen-Konzern erneut vorsätzlich getäuscht haben, wäre das für die betroffenen Autobesitzer ein weiterer Schlag ins Gesicht. Wie lange und wie dreist wollen die Autokonzerne ihre zahlenden Kunden noch hinters Licht führen? Nach all den Vorwürfen der letzten Jahre gegen den Volkswagen-Konzern und seine Konzernmarken Audi, Seat, Skoda und Porsche muss auch die Frage erlaubt sein, wie lange die staatlichen Behörden diesem Treiben noch tatenlos zusehen wollen?“,

führt Rechtsanwalt Dr. Christof Lehnen aus.

Ist Ihr Auto vom neuen Abgasskandal betroffen?

Nicht nur Besitzer eines Audi Q5 TFSI 2.0 (Euro 6), sondern alle Besitzer eines Pkw aus dem VW-Konzern mit Automatikgetriebe sollten prüfen lassen, ob ihnen Schadensersatzansprüche zustehen. Denn nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reduzieren sich diese Ansprüche mit jedem gefahrenen Kilometer. Die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Lehnen & Sinnig betreut bundesweit mehrere tausend vom Abgasskandal betroffene Autofahrer. Die Experten prüfen auch Ihre Ansprüche kostenlos und unverbindlich.