OLG München: Audi haftet für EA189-Motoren auf Schadensersatz

In gleich acht verschiedenen Verfahren urteilte das Oberlandesgericht (OLG) München am 30.11.2020 (u.a. Az. 21 U 3457/19), dass die Audi AG für die manipulierten EA189-Motoren auf Schadensersatz haften muss,  obwohl der entsprechende Motor durch die Konzernmutter, die Volkswagen AG, entwickelt wurde.

Den acht Entscheidungen des 21. Zivilsenat am OLG München waren jeweils erstinstanzliche Verfahren vor dem Landgericht (LG) Ingolstadt vorausgegangen. In dem Verfahren Az. 21 U 3457/19 hatte der Kläger im Jahr 2014 einen Audi Q5 mit einem Motor des Typs EA189 erworben. Der in dem Auto verbaute Motor wurde von der Volkswagen AG entwickelt und seitens der Audi AG in ihren Fahrzeugen verbaut. Etwa ein Jahr später stand der von der Volkswagen AG entwickelte Motor des Typs EA189 im Mittelpunkt des Diesel-Abgasskandals rund um den Volkswagen Konzern.

Der Kläger ließ auf seinem Fahrzeug, nachdem er dazu behördlich aufgefordert wurde, ein von Volkswagen entwickeltes Softwareupdate zur Entfernung der illegalen Abschalteinrichtung aufspielen. Ein paar Monate später forderte er sodann die Audi AG zur Rücknahme des mangelhaften Fahrzeugs auf und verlangte die Rückerstattung des gezahlten Kaufpreises. Der Kläger argumentierte dahingehend, dass auch die Audi AG als Fahrzeugherstellerin von der Abschalteinrichtung in dem verbauten VW Motor EA189 gewusst haben müsse.

Die Audi AG lehnte die Rücknahme des streitgegenständlichen Q5 ab. Für den manipulierten Motor könne sie nicht zur Verantwortung gezogen werden, da es sich um ein „Zuliefererprodukt“ handele. Eine entsprechende Verpflichtung, den von der Volkswagen AG hergestellten Motor auf eine etwaige unzulässige Abschalteinrichtung hin zu überprüfen, habe nicht bestanden.

Hiervon abweichend urteilte das LG Ingolstadt am 21.05.2019 (Az. 21 O 1939/17), dass die Audi AG dem Kläger gegenüber zur Rücknahme des Fahrzeugs und zur Rückzahlung des Kaufpreises, abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer, verpflichtet sei.

Wieder Schlappe für Audi: OLG München unterstreicht im Berufungsverfahren den Schadenersatzanspruch des Klägers

In dem gegen dieses Urteil vor dem OLG München geführten Berufungsverfahren bestätigten die Münchener Richter die Ausführungen und das Ergebnis des LG Ingolstadt. Die Audi AG sei dem Kläger gegenüber zur Rücknahme des Fahrzeugs und zu einer Schadensersatzzahlung verpflichtet.

In der Urteilsbegründung des Senats heißt es, die Audi AG habe ihren Kunden gezielt getäuscht. Letzterer habe bei Vertragsschluss darauf vertraut, ein Fahrzeug entsprechend der EG-Typengenehmigung erhalten zu haben, welches über eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis verfüge. Aufgrund der Manipulation des Abgassystems stehe jedoch die Stilllegung des Fahrzeugs im Raum. Auch das aufgespielte Softwareupdate ändere nichts an dem dem Kläger entstandenen Schaden, der bereits bei Abschluss des Kaufvertrags zustande kam.

Nach Auffassung der Münchener Richter, stand für die Audi AG das „Kosten- und Gewinninteresse“ im Fokus, weshalb sie eine Schädigung ihrer Kunden billigend in Kauf genommen habe. Daneben habe die Audi AG „arglistig“ gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) behauptet, dass der Fahrzeugtyp genehmigungsfähig sei und die Behörde nicht über die enthaltene Abschalteinrichtung aufgeklärt.

Audi kam Sorgfaltspflicht zur Prüfung des bei VW eingekauften Motors nicht nach

Entscheidend in der Urteilsbegründung sind die richterlichen Ausführungen dahingehend, die Audi AG hätte als Fahrzeugherstellerin in jedem Fall von dem manipulierten Motor des Typs EA189 gewusst haben müssen. Sie habe als Fahrzeug- und Motorenherstellerin selbst ein Interesse daran, die Eigenschaften eines neuen Motors genau zu kennen. In diesem Zusammenhang habe sie in dem gerichtlichen Verfahren nicht ausreichend dargelegt, welche ihrer Vorstandmitglieder dem zuständigen „Produkt-Strategie-Komitee“ mit Volkswagen angehört hätten. Weiterhin, so unterstrich der 21. Zivilsenat des OLG München, habe der Bundesgerichtshof (BGH) schon 1975 festgestellt, dass einem Unternehmer, der die Bauteile Dritter verwendet, eine Sorgfaltspflicht obliege (Az. VI ZR 192/73). Die Audi AG hätte also auch die Bauteile, die von der Volkswagen AG konstruiert wurden, auf ihre korrekte Funktionsweise überprüfen müssen.

Dirk Sinnig, Rechtsanwalt der Kanzlei Dr. Lehnen & Sinnig, fasst zusammen:

„Audi versucht sich im Abgasskandal rund um den Motortyp EA189 aus der Affäre zu ziehen. Die Verantwortung an die Volkswagen AG abzugeben, mit der Begründung, dass diese den EA189-Motor entwickelt habe, ist ziemlich billig. Als renommierter Fahrzeughersteller sollte es für Audi selbstverständlich sein, auch die Produkte dritter Hersteller zu überprüfen, die in Audi Fahrzeugen verbaut werden – das ist Audi seinem Qualitätsanspruch und seinen Kunden schuldig.“