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Erstes OLG Urteil im Mercedes-Abgasskandal: Schadensersatz für Mercedes Fahrer, sittenwidriges Handeln von Daimler erwiesen

Vor dem Oberlandesgericht (OLG) Naumburg ist am 18.09.2020 (Az. 8 U 81/20) das erste obergerichtliche Urteil gegen die Daimler AG ergangen. Der Halter eines Mercedes GLK 220 CDI mit OM651 Motor (Euro 5) erhält Schadensersatz und ebnet den Weg für weitere verbraucherfreundliche Urteile gegen den Stuttgarter Fahrzeughersteller.

Das erste Urteil eines deutschen Oberlandesgerichts gegen die Daimler AG ist ein weiterer Meilenstein in der Rechtsprechung im Abgasskandal. Anders als Volkswagen war es Daimler bisher gelungen, ein obergerichtliches Urteil zu verhindern. Dabei spielt auch Mercedes bereits seit einigen Jahren eine prominente Rolle im Dieselskandal. So wurden in den letzten Jahren zehntausende Modelle vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) wegen des Verdachts auf eine illegale Abschalteinrichtung zurückgerufen. Für die betroffenen Mercedes Kunden ist die aktuelle Gerichtsentscheidung nun umso erfreulicher.

Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung verhindert effiziente Abgasreinigung im Fahrbetrieb

Der Mercedes GLK 220 CDI im vorliegenden Fall, den der Kläger 2014 kaufte, ist seit Juni 2019 von einem offiziellen Rückruf des Kraftfahrtbundesamts (KBA) betroffen. In dem verbauten Motor OM651 (Euro 5) ist eine so genannte Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung verbaut. Unter den im Prüflabor vorhandenen Bedingungen wird die Kühlmitteltemperatur künstlich niedrig gehalten und die Erwärmung des Motoröls somit verzögert. So bleiben die Stickoxidwerte unterhalb des gesetzlichen Grenzwerts. Im alltäglichen Straßenbetrieb greift diese Funktion jedoch nicht und der gesetzlich vorgeschriebene Grenzwert für den Stickoxidausstoß wird überschritten.

Während des gerichtlichen Verfahrens widersprachen die Vertreter der Daimler AG der Behauptung, dass im Motor des Typs OM651 eine Abschalteinrichtung verbaut sei: Eine Manipulationssoftware, wie man sie etwa im EA189 Motor von Volkswagen finde, sei in Daimlers Motoren gerade nicht enthalten. Die im Fahrzeug verbaute Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung diene ausschließlich dem Schutz des Motors und sei nicht als Abschalteinrichtung zu qualifizieren.

Oberlandesgericht Naumburg stärkt Verbraucherrechte

Das im Berufungsverfahren zuständige OLG Naumburg gab dem Kläger nun Recht und verurteilte die Daimler AG zur Schadensersatzzahlung. Zur Begründung führten die Richter aus, die Daimler AG habe ihren Kunden vorsätzlich und sittenwidrig getäuscht, in dem sie erklärt habe, das Fahrzeug verfüge über eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis. Dies habe sich durch den offiziellen Rückruf des KBA als falsch herausgestellt. Der Kläger müsse im Ergebnis sogar die Stilllegung seines Fahrzeugs befürchten, falls diesem die Betriebserlaubnis entzogen werde.

Nach Ansicht des Senats am OLG Naumburg diene die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung nicht dem Schutz des Motors, sondern regele das Emissionsverhalten des betroffenen Kfz, um so die gesetzlichen Grenzwerte auf dem Prüfstand einzuhalten.

Sittenwidrige Schädigung Daimlers wegen erschlichener Betriebserlaubnis

Weiter führten die Richter aus, dass der Schaden für die Käufer eines Mercedes mit beschriebener Abschalteinrichtung bereits in dem Abschluss des Fahrzeug-Kaufvertrages zu sehen sei, der auch mit Installation eines angebotenen Softwareupdates nicht behoben würde. Die Sittenwidrigkeit des Handelns von Daimler ergäbe sich sowohl aufgrund des Ausmaßes der betroffenen ca. 50.000 bis 60.000 Fahrzeuge, als auch aus dem Vorgehen Daimlers, mit dem die Typgenehmigung beim Kraftfahrtbundesamt erschlichen worden sei.

„Die Urteilsbegründung bringt es noch einmal auf den Punkt! Daimler hat die Käufer seiner Mercedes Fahrzeuge absichtlich getäuscht und den hohen materiellen Schaden für seine Kunden durch die potentiell drohende Stilllegung seiner Fahrzeuge wegen Entzug der Betriebserlaubnis in Kauf genommen“,

fasst Dirk Sinnig, Rechtsanwalt der Kanzlei Dr. Lehnen & Sinnig, zusammen.

Was bedeutet das Urteil für Mercedes Fahrer?

Nachdem die Richter des OLG Naumburg die Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) ausgeschlossen haben, wird die Luft für den Stuttgarter Fahrzeughersteller damit immer dünner: am 14.12.2020 wird vor dem BGH über die Schadensersatzansprüche eines Mercedes Käufers wegen des Einbaus eines „Thermofensters“ in einem Motor des Typs OM642 verhandelt (VI ZR 314/20). Auch in diesem Verfahren hat Daimler bislang vorgetragen, die temperaturgesteuerte Abgasreinigung sei keine illegale Abschalteinrichtung und diene ausschließlich dem Schutz des Motors. Mercedes Besitzer dürfen gespannt sein, ob sich die Karlsruher Richter am BGH den verbraucherfreundlichen Urteilen deutscher Landgerichte sowie dem aktuellen Urteil des OLG Naumburg anschließen werden.

Jedenfalls haben viele unzufriedene Mercedes Kunden aufgrund der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung gute Chancen, eine finanzielle Entschädigung zu erhalten. Dazu Rechtsanwalt Sinnig:

„Die im vorliegenden Fall verbaute Abschalteinrichtung in dem Mercedes GLK 220 CDI ist in weiteren Mercedes Modellen mit OM651 Motor, wie zum Beispiel der C- und E-Klasse, verbaut. Betroffene Daimler Kunden sollten jetzt Ihre Ansprüche gegenüber dem Konzern prüfen lassen. Unsere Kanzlei berät sie kostenlos und unverbindlich!“