Neue Runde im VW-Abgasskandal: Manipulation von Automatikgetrieben
Der Betrug von VW an seinen Kunden zieht noch weitere Kreise als gedacht, denn VW manipulierte offenbar nicht nur mit einer Abschalteinrichtung seine Abgaswerte, sondern schönte einem Bericht der Wirtschaftszeitung Handelsblatt zufolge anscheinend auch mit dem „Schalttrick“ und der „Lenkwinkel-Erkennung“ den Schadstoffausstoß seiner Diesel- und Benzinfahrzeuge mit Automatikgetriebe.
Seit dem 30. September 2019 läuft am Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig die Musterfeststellungsklage gegen den Volkswagen Konzern im Abgasskandal, von dem sich über 470.000 Kläger erhoffen, dass die Machenschaften von Volkswagen als unrechtmäßig eingestuft werden. Trotzdem ist noch keine Ruhe im Dieselskandal eingekehrt, denn kaum das die Öffentlichkeit dachte, einen Überblick über die durchgeführten Manipulationen erlangt zu haben, kommen neue Details im Abgasskandal ans Licht.
Schalttrick zur systematischen Abgasmanipulation
Der Wirtschaftszeitung Handelsblatt liegt nach eigener Aussage die Zeugenaussage des führenden VW-Ingenieurs Friedrich Eichler vor, der im November 2017 bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig zum Dieselskandal Stellung nehmen musste. Eichler schildert die Manipulation an zahlreichen Automatikgetrieben und zwar unabhängig davon, ob es sich um Diesel- oder Benzinmotoren handelt. Auf dem Prüfstand ermögliche eine installierte Software bei Benzinfahrzeugen sehr früh in einen höheren Gang zu schalten; der Schadstoffausstoß bliebe durch das untertourige Fahren gering.
Bei VW-Dieselfahrzeugen funktioniere der Trick umgekehrt: Spritverbrauch und Abgase würden niedrig gehalten, wenn in kleinen Gängen eine hohe Drehzahl erreicht wird; so seien die ausgestoßenen Stickstoffwerte um bis zu 20% niedriger. Dies belegt auch ein internes Dokument von 2016 der Abteilung Technische Entwicklung von Volkswagen.
Der „Schalttrick“ sei in VW Tiguan, Passat, Touareg und bevorzugt in Allrad-Antrieben, zum Beispiel bei den Automatikgetrieben AL 1000, DQ 500 und DQ 250, eingesetzt worden. Eichler geht noch weiter und behauptet in seiner Aussage, dass die Funktion europaweit systematisch zur Manipulation der Abgaswerte eingesetzt wurde. Ein führender Ingenieur von Audi bestätigte diese Darstellung.
Volkswagen dementierte dies erst kürzlich anlässlich der Vergleichszahlung in den USA. Im August diesen Jahres hatte Volkswagen in den USA 98.000 Benzinfahrern eine Entschädigung von 100 Millionen Dollar gezahlt, denn die 2016 von der US-amerikanischen Umweltbehörde entdeckte „Veränderung der Getriebefunktion“ wurde von den dortigen Behörden als Betrug am Verbraucher eingestuft. VW nannte die Zahlung der Entschädigung allerdings kein Schuldeingeständnis. Außerdem sei der Schalttrick in Europa nicht angewendet worden. Die im Artikel des Handelsblatts beschriebene Aussage des VW-Ingenieurs widersprechen dem jedoch eindeutig.
Lenkwinkel-Erkennung zur Abgasmanipulation
Auch wenn sich VW bislang gegen jegliche Betrugsvorwürfe wehrt, kommen die jüngsten Enthüllungen anlässlich der Musterfeststellungsklage in Braunschweig zu einem schlechten Zeitpunkt für den Fahrzeughersteller.
Und es geht noch weiter: Das interne Dokument der Technischen Entwicklung von Volkswagen, das dem Handelsblatt vorliegt, beschreibt eine Software, die anhand des Lenkwinkels von Quer- oder Längsbeschleunigung erkennt, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet oder nicht. Dementsprechend würde das Fahrzeug niedrigere NOx- und CO2-Werte ausstoßen als im realen Fahrbetrieb. Ein Motorenentwickler von Audi bestätigt die Lenkwinkel-Erkennung in den VW-Getrieben AL 1000 und DL 502. Sie ist in den Modellen Tiguan, Passat und Touareg verbaut.
Volkswagen ist sich jedoch keiner Schuld bewusst, da es sich um eine „technische Non-Konformität“ handele und nicht um eine bewusste Manipulation. Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) sah das anders und ordnete aufgrund der Überschreitung der Stickstoff-Grenzwerte 2017 einen verpflichtenden Rückruf für die entsprechenden Diesel-Fahrzeuge an.
Diese Technik kommt, laut dem internen Papier, jedoch auch bei VW-Benzinfahrzeugen zum Einsatz. Das KBA sah hier anscheinend keinen Handlungsbedarf, auch wenn das Bundesverkehrsministerium die Kenntnis der CO2-Abweichungen bei Benzinfahrzeugen zugegeben hat.
Laut der Aussage des Volkswagen Ingenieurs Eichler sei der „Schalttrick“ bereits 2016 entfernt worden. Vorher zugelassenen Fahrzeugen sollte im Rahmen einer „Service-Aktion“ in den Werkstätten diese Funktion entfernt werden. Dem Kunden wurde dies als „Anpassung von Getriebeschaltpunktsteuerungen“ verkauft. Eventuelle Beschwerden über lautere Fahrgeräusche oder verändertes Schaltverhalten habe man bei VW in Kauf genommen.
Betrug bei VW – kein Ende in Sicht
Insgesamt zeigt sich bei diesen Enthüllungen wieder einmal, dass VW gegenüber seinen Kunden nicht mit offenen Karten spielt und seine Tricksereien und Manipulationen runterzuspielen oder zu vertuschen versucht. Aufgrund der Negativschlagzeilen der letzten Jahre ist das Vertrauen in die Marke VW bei vielen Autofahrern nachhaltig erschüttert und ein Ende der Hiobsbotschaften im Abgasskandal ist nicht absehbar.
VW-Fahrer können ihre Rechte gegen den Konzern geltend machen und im Rahmen des Abgasskandals oder mithilfe des Autokredit-Widerrufs Klage einreichen. Immer mehr Landgerichte sprechen den Verbrauchern großzügige Entschädigungen zu. Bei einer bestehenden Verkehrsrechtsschutzversicherung und einer Kostenübernahmebestätigung durch die Versicherung kommen, bis auf eine eventuell mit der Versicherung vereinbarte Selbstbeteiligung, keine Prozess- oder Anwaltskosten auf den geschädigten Kunden zu. Eine spezialisierte Anwaltskanzlei im Bereich Abgasskandal und Autokredit-Widerruf hilft Betroffenen, ihre Rechte durchzusetzen.