Musterfeststellungsklage gegen VW: Gemischtes Fazit nach dem ersten Verhandlungstag
Es war ein gemischter Auftakt für die Verbraucher, die sich der Musterfeststellungsklage gegen VW angeschlossen hatten. Der vierte Zivilsenat in Braunschweig um den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Michael Neef ließ durchblicken, sich ein genaues Bild von den Umständen machen zu wollen. Eine klare Tendenz in Richtung VW oder der geschädigten Verbraucher gab es vorerst nicht.
Das mediale Interesse vor dem ersten Verhandlungstag war groß. Der Verhandlungsort wurde extra in die Stadthalle Braunschweig verlegt. Der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Braunschweig Neef ließ zu Beginn die Musterfeststellungsklage zu und unterschied zwischen „vertraglichen und deliktischen Ansprüchen“ der VW-Kunden, die es zu prüfen gilt. Käufer, die ihren VW bei einem Vertrags- oder einem Gebrauchtwagenhändler erworben haben, sollten sich eher weniger Hoffnungen auf Schadensersatz machen als jene, die ihr Auto direkt bei Volkswagen gekauft haben.
Dagegen seien die deliktischen Ansprüche „ernsthaft in Betracht zu ziehen“, so die Braunschweiger Richter. Hier muss allerdings geprüft werden, ob der Schaden für die VW-Fahrer durch die installierte Abgas-Software entstanden ist oder durch die drohenden Diesel-Fahrverbote. Hinzuziehen möchte das Gericht den Hinweisbeschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) von Januar 2019. Dieser stellt fest, dass, um einen Schaden hervorzurufen, bereits die bloße Gefahr für einen Nachteil ausreicht (Stichwort: drohende Diesel-Fahrverbote).
Weiterhin wolle das Gericht im Laufe des Prozesses klären, ob das Volkswagen Management rund um Martin Winterkorn über die Abgasmanipulationen Bescheid wusste. „Mit Sorgfalt und gebotener Zeit“ wolle sich das Gericht den rechtlichen Fragen widmen.
Kläger müssen mit Abzügen durch Wertersatz rechnen
Entstandene Schäden an den Fahrzeugen durch manipulierte Abgaswerte seien in der Klageschrift „nicht zutreffend“ vermittelt worden, da die entsprechenden Fahrzeuge weiter genutzt worden seien. Insofern sei der Schaden für die Kläger laut Gericht nicht offenkundig. Es müsse geklärt werden, ob durch die drohende Stilllegung des Autos eine „Vermögensgefährdung“, sprich ein Werteverlust bestehe. Dementsprechend müssen sich die Geschädigten auf die Anrechnung einer Nutzungsentschädigung einstellen.
Ein endgültiges Urteil wird höchstwahrscheinlich in zweiter Instanz am Bundesgerichtshof (BGH) gefällt, ist jedoch nicht vor 2023 zu erwarten. Ein langes Verfahren spielt dem VW-Konzern in die Hände, weil der Schadensersatzanspruch des Fahrzeughalters mit der weiteren Nutzung und dem damit verbundenen Wertverlust des Fahrzeugs abnimmt.
Langer Atem für Individuelle Schadensersatzansprüche nötig
Auch wenn es am Ende des Mammutprozesses ein für die Verbraucher positives Urteil im Musterfeststellungsprozess geben sollte, besteht für sie dann immer noch kein konkreter Zahlungsanspruch gegen Volkswagen. Diesen müssten die Betroffenen anschließend in Einzelverfahren durchsetzen.
Überraschend für die beiden Klageparteien war, dass Richter Neef anregte, über einen Vergleich nachzudenken auch wenn dieser nur schwer umsetzbar sei. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) hält einen Vergleich für eine schnelle Lösung und einen wünschenswerten Ausgang des Verfahrens. Für Volkswagen kommt ein Vergleich allerdings derzeit noch nicht in Frage, da nicht abzusehen sei, wie viele Menschen sich der Musterfeststellungsklage überhaupt wirksam angeschlossen hätten. Die genaue Zahl der Kläger soll nun schnellstmöglich ermittelt und beiden Parteien zur Verfügung gestellt werden.
Laut ersten Zahlen des Bundesamts für Justiz, haben sich 462.000 Dieselkunden der Musterfeststellungsklage angeschlossen, berichtet das Handelsblatt nach dem ersten Verhandlungstag. Demgegenüber stehen etwa 67.000 Abmeldungen, die bis zum 30.09.2019 verzeichnet worden sind, mehrfache Rücknahmen noch nicht berücksichtigt.
Der nächste Verhandlungstag der Musterfeststellungsklage ist für den 18.11.2019 anberaumt. Es bleibt abzuwarten, ob dann bereits eine Tendenz des Gerichts hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Schadensersatzansprüche erkennbar ist.
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